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April 5, 2020

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Russland haben wir nicht direkt nach dem Baltikum bereist (wir waren vorher nochmal in Deutschland), sondern erst im Winter aus Finnland per Zug. Überhaupt spielt Zugfahren eine ganz besondere Rolle bei unserer Durchquerung von Russland, Stichwort „Transsibirische Eisenbahn“.

Allgemein

Russland haben wir komplett von Westen (St. Petersburg) nach Osten (Wladiwostok) per transsibirischer Eisenbahn bereist. Eine kurze Unterbrechung gab es zwischen Sljudjanka und Ulan-Ude, in der wir die Mongolei (Ulan-Bator) für ein paar Tage besucht haben. Zudem war Russland das erste (und mittlerweile auch einzige) Land, für das wir ein Visum benötigten. Wegen der Unterbrechung in der Mongolei brauchten wir ein Double Entry Visum, welches es für gewöhnlich nicht für „normale“ Touristen gibt, wenn man nicht schon mal in Russland war. Daher haben wir uns über eine Agentur Business Visum besorgt.

Land und Leute

Auch nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist Russland immer noch riesig. Die Weite wird einem besonders beim Bereisen mittels Eisenbahn bewusst. Wo sonst kann man schon mehr als sieben Tage und sieben Nächte ununterbrochen Zug fahren, ohne einmal auszusteigen oder irgendwo im Kreis zu fahren?

Dabei sind die Städte, die wir besucht haben, durchaus sehr abwechslungsreich: St. Petersburg wirkte noch sehr europäisch. Auf dem roten Platz in Moskau merkt man dann schon deutlich, in Russland zu sein. Jekaterinburg versetzt einen zurück in die Zarenzeit. Nowosibirsk wirkt noch sehr sowjetisch. Irkutsk lässt einen insbesondere im Winter das echte Sibirien erleben. Ulan-Ude wirkt schon sehr asiatisch, während Wladiwostok eher hanseatisch daher kommt mit seinem großen Hafen und der Nähe zum pazifischen Ozean. Kleine Städte wie Kungur oder Sljudjanka scheinen in der Zeit stehen geblieben zu sein und wirken wie 1980er-Jahre-Reportagen aus der UdSSR.

Die Menschen in Russland sind schon von einem ganz besonderen Schlag. Wir hatten das Gefühl, dass man sich nicht viel Mühe gibt, gängige Klischees über Russland zu widerlegen. Es fängt an bei der Art Auto zu fahren (nicht umsonst hat jedes russische Auto eine Kamera an Bord) oder auch alte Autos zu entsorgen (siehe Bericht St. Petersburg). Fremdsprachenkenntnisse hält der Russe für vollkommen überbewertet.

Wir haben nur eine Handvoll Menschen getroffen, die überhaupt ein paar Brocken Englisch sprechen konnten. Fast genauso oft bzw. selten sprachen Leute sogar ein wenig Deutsch (üblicherweise wegen Aufenthalten in der DDR vor einigen Jahrzehnten). Ähnlich wie wir es schon in UK in der Vergangenheit erlebten, scheinen Russen zu denken, dass wenn man sie nicht versteht, sie ihr Statement einfach nur lauter wiederholen müssen, da man bestimmt schwerhörig sein muss. Dabei waren wir sogar mit einigen Russischkenntnissen vorausgestattet. Trotzdem ernteten wir häufig entsetzte Blicke (insbesondere von den Provodnizas in der transsibirischen Eisenbahn), wenn wir zu verstehen gaben, dass wir sie eben nicht verstanden haben.

Das Thema Diversity scheint in Russland auch nicht von allzu großer Bedeutung zu sein. Unsere Abmachung, dass Stephi die Rechnungen in Restaurants begleicht bzw. Situationen, in denen sie ihr Gepäck selbst getragen hat, hat immer wieder erstaunte russische Gesichter erzeugt. Wobei ein erstaunter Gesichtsausdruck wenigstens etwas Abwechselung in der Mimik bedeutete, denn ein Russe scheint das Konzept des „Lächelns“ / „Grinsens“ nicht zu kennen. Gelacht wird, wenn jemand einen guten Witz erzählt. Ansonsten wirkt man als grinsender Europäer scheinbar auf die Russen ein wenig grenzdebil. Wir haben später nachgelesen, dass grundloses Lächeln bereits in der Schule zu Sowjetzeiten (zum Teil auch noch heute) versucht wurde zu „unterdrücken“.

Bevor hier ein falsches Bild entsteht – nicht alle Russen sind grimmige, ungehobelte Klötze. Wir sind mit vielen netten Menschen in Kontakt gekommen und haben uns auch in der transsibirischen Eisenbahn irgendwie verständigt. Allerdings gab es bei jedem Kennenlernen eine gewisse Anlaufphase, bevor man dann wirklich mal ins Gespräch kam. Ein Gläschen Wodka kann durchaus helfen – es ist aber definitiv nicht der Fall, dass alle Russen hoffnungslose Alkoholiker sind. Gerade in der Transsib wurden unsere Angebote, ein Gläschen mitzutrinken, häufig abgelehnt.

Von unserem Vermieter in Sljudjanka haben wir erfahren, dass viele Russen noch nie ihr Land verlassen haben und daher ein etwas schiefes Bild von Ausländern, und insbesondere dem Westen, haben. Letztlich war aber auch er eher pragmatisch, russisch – beispielsweise verstand er nicht, warum wir so eine lange Reise mit dem Zug unternehmen – Fliegen geht doch viel schneller und ist billiger? :–o

Unterkünfte

Unsere Unterkünfte in Russland waren ein Mix aus eigenen Wohnungen, Hotels und Hostels sowie acht Nächten in der Transsib, wo wir meist in Viererkabinen (2. Klasse) untergebracht waren. Man muss allerdings dazu sagen, dass auch die Hotelzimmer häufig mit Kühlschrank und Kochgelegenheit ausgestattet waren.

Unsere Gastgeber waren sehr fürsorglich und haben uns zuweilen sogar wie Familienmitglieder bereits vor den Wohnungen begrüßt (bei minus 20 Grad), am Bahnhof abgeholt und auch wieder zum Bahnhof gebracht. Die Kosten für Hotelzimmer sind in Russland sehr günstig (mit Ausnahme Moskau). Alle Buchungen haben wir relativ kurzfristig vornehmen können (meistens erst 1-2 Tage vorher).

Es war durchweg gemütlich eingerichtet und relativ sauber (mit einer Ausnahme in Kungur, wo wir sehr „sowjetisch“ gewohnt haben).

Logistik und Verkehr

Wichtigstes Überlandverkehrsmittel für uns war die Transsib, die wir genutzt haben, ohne irgendeine Buchung vorher in Deutschland vorzunehmen. Auch Reiseagenturen haben wir nicht bemüht. Mittlerweile lässt sich die Reise hervorragend mit einem online Planer durchplanen. Die Tickets können per App (Android, Apple) bestellt werden – die Online Zahlung per Google Pay oder Kreditkarte funktionierte problemlos. Das Ausdrucken der Tickets war in der Regel nicht notwendig – man steht auch bei Onlinebuchung auf der Passagierliste der Provodniza. Aber wenn man (wie wir) die Tickets zur Sicherheit am Bahnhof ausdruckt, verlieren die Online-Tickets ihre Gültigkeit und die ausgedruckten Exemplare sind die einzigen gültigen Tickets, die man dann nicht verlieren darf.

Wir sind in der Transsib zumeist in der 2. Klasse gefahren, also in Abteilen für maximal vier Personen. Auch wenn wir in der App gezielt nach Abteilen gesucht haben, die noch keine anderen Reservierungen enthielten, so sind zumeist dann doch noch Leute zugestiegen oder irgendwelche Bahnarbeiter im Transfer zu uns gestoßen. Bei den ersten Fahrten haben wir immer die beiden oberen Betten gewählt, was sich für Fahrten über mehrere Tage hinweg als unpraktisch erwies. Man will ja auch mal sitzen und am Tisch etwas essen. Immer wurde uns von den Mitreisenden angeboten, dass wir uns zum Essen auf die unteren Betten setzen durften. Die Gäste sind währenddessen auf den Gang gegangen. Deshalb wählten wir auf den weiteren Langstrecken immer ein Bett oben uns eins unten, so dass wir tagsüber auf dem unteren (Stephis) Bett sitzen, essen und Karten spielen konnten.
Für Fahrten, während derer wir keine Übernachtung hatten, haben wir die „Platzkartje“-Tickets der 3. Klasse gewählt (Großraum-Schlafwagen mit ca. 50 Personen pro Waggon). Für kurze Strecken (< 12 Stunden) ist das okay, doch sollte man sich dringend vorher informieren, wo der reservierte Waggon hält, um sich nicht mit dem gesamten Gepäck durch die Abteile mit auch tagsüber schlafenden Menschen quetschen zu müssen wie wir in Kungur.

In die Mongolei sind wir 1. Klasse gefahren. Aufgrund der langatmigen Zollkontrollen (auf russischer und mongolischer Seite jeweils ca. 90 Minuten, mit Befragung, Gepäckcheck, Drogenhund, etc.) sicherlich eine weise Entscheidung, sitzt man in der 1. Klasse doch ganz für sich allein (2 Personen maximal).

Den berühmten Speisewagen der Transsib gibt es wohl kaum noch. Wir haben nur einmal (Strecke Nowosibirsk->Irkutsk) tatsächlich einen Speisewagen gehabt, wo man dann auch mal ein Bierchen und eine Soljanka zu Essen haben kann (Alkohol ist offiziell in den Abteilen verboten). Ansonsten haben wir uns mit mitgebrachter bzw. bei der Provodniza erworbener Verpflegung und heißem Wasser aus dem Samowar (für Instantnudeln) ernährt. Theoretisch besteht die Möglichkeit, sich Dinge an Bahnhöfen, an denen der Zug länger hält, zu erwerben – Kleingeld vorausgesetzt – alles über 500 Rubel (weniger als 10 Euro) scheint nicht mehr zu Kleingeld zu gehören.

Duschen gibt es keine. Die Toiletten sind anfangs ok, leiden aber mit zunehmender Dauer der Reise – man kann sich aber an alles gewöhnen.

Insgesamt haben wir keine 1200 Euro für uns beide zusammen für Zugtickets bezahlt, was in keinem Verhältnis steht zu dem, was einige Reiseagenturen einem abknöpfen wollen für die einfache Pauschalbuchung der Gesamtstrecke Transsib.

Jenseits der Transsib bewegt man sich in den Großstädten per Metro (St. Petersburg, Moskau, Jekaterinburg, Nowosibirsk) bzw. Bus oder Marschrutka oder eben gleich per Taxi. Metrofahren ist günstig und einfach.

In der Metro gibt es nur einen Tarif (ca. 50 ct eine Fahrt). Tagespässe lohnen sich, wenn man länger in Moskau ist. In allen anderen Städten sind wir mit Einzeltokens gut durchgekommen. Die museumsähnlichen Stationen der Metro in Moskau und St. Peterburg sind alleine schon einen Nachmittag Metrofahren wert.

Marschrutkas benötigen etwas Sprachverständnis, um auf das Fahrtziel und den Wunsch auszusteigen aufmerksam zu machen, und -wie so oft in Russland- Kleingeld (man wechselt ungern). Der Fahrpreis wird am Ende bezahlt.

Taxis empfehlen sich nur außerhalb der Metropolen wie Moskau (viel Stau, teuer) und da am besten per App (Yandex, Maxim, Uber), wo der Fahrtpreis vor der Fahrt fest steht und auch online abgerechnet wird (Kreditkarte oder GooglePay).

In Russland haben wir erstmalig den EU-Roaming Bereich verlassen und somit kein Internet per se gehabt. Für diese Situationen haben wir ein zusätzliches Handy mitgenommen, in das wir eine Prepaid-Sim-Karte des jeweiligen Landes gesteckt und das Gerät dann als WLAN-Router mittels Tethering genutzt haben. In Russland haben wir eine Karte von MTS (russ.:MTC) gewählt. In den Metropolen war der Empfang ok, ab Sibirien (insbesondere Sljudjanka) hätten wir besser Beeline gehabt. Die Preise für Internet sind im Vergleich zu Deutschland minimal (wir hatten für 10 Euro 20 GB Volumen).

In den Metropolen wie St. Petersburg und Russland kann man problemlos rund um die Uhr an Lebensmittel kommen. Die russische Version des Spätis ist das Dixy (russ.: Дикси). Lediglich der Alkoholverkauf ist ab 22 Uhr verboten.

Kosten und Geld

Russland ist ähnlich günstig wie das Baltikum, was Dinge des täglichen Lebens und ÖPNV angeht. Café-, Kneipen- und Restaurantbesuche sind allerdings häufig schon ähnlich teuer wie in Deutschland. Günstig Essen kann man in den sogenannten Stolovayas (kantinenähnliche Restaurants), die u.a. für die Bahnangestellten sind.

Russland ist bereits im digitalen Zeitalter angekommen und man kann fast überall bargeldlos und kontaktlos per Handy oder Smartwatch bezahlen – Ausnahmen bilden die Busse und Büdchen am Bahnhof.

Und sonst…

Die Reise mit der Transsib können wir uneingeschränkt weiterempfehlen. Ist aber auch ein „Once in a Lifetime“-Ding. Das müssen wir also nicht unbedingt nochmal machen. Städte wie St. Petersburg kann man sich sicherlich nochmal im Rahmen eines Städtetrips (das ist sogar visafrei) vorstellen, auch um dann mal in die Museen zu gehen, die wir im Rahmen einer Weltreise nicht alle besuchen wollten und konnten.

Zum Schluss noch alle Tageburch-Artikel zu Russland in chronologisch aufsteigender Reihenfolge…